Muhammad ʿAbduh und seine Reformideen ab 1880

  • 331 views

  • 0 favorites

Medienaktionen
  • hochgeladen 30. Januar 2018

Muhammad ʿAbduh und seine Reformideen ab 1880
 
Wenn man sich mit Reformbewegungen innerhalb Ägyptens beschäftigt, stößt man unweigerlich auf Muhammad ʿAbduh und die im Jahr 1884 von ihm im Pariser Exil herausgegebene Zeitschrift mit dem Titel „Das festeste Band“. Mit ʿAbduhs Reformideen, die den Grundstein für ein politisches Handeln unter Berufung auf islamische und koranbasierte Botschaften legten, beginnt das Projekt die diachrone semantische Detailanalyse eines modernistischen Koranverständnisses.
 
Prof. Dr. Pink: Muhammad ʿAbduh ist die Person, bei der ich ansetzen möchte. Er stammt aus Ägypten und ist unter anderem über Freimaurergruppen mit Personen in Kontakt gekommen, die sich sehr stark gegen europäische Dominanz gewandt haben. Diese Auflehnung war vor allem in den 1870er Jahren in Ägypten ein großes Thema. Eine Person, die in diesem Kontext besonders hervorzuheben ist, ist Ǧamāl al-Dīn al-Afġānī, ein Agitator, der wahrscheinlich ursprünglich gar nicht aus Afghanistan stammt, wie sein Beiname suggerieren soll, sondern iranischer Schiit war. Seine Herkunft wollte er verschleiern, weil es ihm darum ging, die Muslime gegen die europäische und vor allem gegen die britische Dominanz zu vereinen. Al-Afġānī ist dafür durch alle möglichen Länder gereist, von Indien bis ins Osmanische Reich und hat versucht, Mitglieder der Eliten anzusprechen und sie dazu zu bringen sich gegen die Briten aufzulehnen. Idealerweise wollte er, dass die Herrscher die Briten hinauswerfen. Diese Forderung konnte er jedoch nirgendwo durchsetzen.
Unter seinem Einfluss ist Muhammad ʿAbduh sehr stark auf eine nationalistische Schiene geraten. Die beiden sind Anfang der 1880er Jahre nach einem missglückten Aufstand ins Exil nach Paris geschickt worden und haben dort neun Monate die sehr einflussreiche Zeitschrift al-ʿUrwa al-wuthqāherausgegeben. Der Titel dieser Zeitschrift stammt direkt aus dem Koran und bedeutet "Das festeste Band". Der Koran bezeichnet den Islam an mehreren Stellen als ein solches "Band", das nicht zerreißen kann und an dem die Menschen sich festhalten sollen.
Die Zeitschrift von ʿAbduh und Al-Afġānī mischt zum ersten Mal die politische Botschaft des Widerstandes gegen den Imperialismus mit einer islamischen Botschaft, die sich ganz zentral aus dem Koran bedient. Es werden Verse herangezogen und aus denen wird folglich eine Botschaft abgeleitet, wie beispielsweise, dass man kämpfen oder, wenn man nicht selber kämpft, den Kampf zumindest finanzieren soll.
Muhammad ʿAbduh ist dann nach einigen Jahren wieder nach Ägypten zurückgekehrt. Er hat dort zwar Amnestie erhalten, durfte aber nicht mehr journalistisch arbeiten, sondern hat sich überwiegend im Rechtswesen betätigt und nebenbei sehr einflussreiche Vorlesungen gehalten sowie weiter veröffentlicht, wobei sich seine Schriften ganz stark auf den Koran konzentrieren.

 
Sowohl die Zeitschrift, die er damals in Paris mit Ǧamāl al-Dīn al-Afġānī herausgegeben hat, als auch die Schriften, die er dann später veröffentlicht hat, sind enorm einflussreich geworden. Über Massenmedien und Zeitschriften konnte er alle Regionen der islamischen Welt erreichen. Uns liegen aus allen möglichen Ländern, darunter Nordafrika und Südostasien autobiographische Berichte von muslimischen Reformern vor, die erzählen, wie sie eine Ausgabe dieser Zeitschrift in die Finger bekamen und diese völlig andere Art, Religion zu sehen und mit den Problemen der Gesellschaften und der Politik zu verknüpfen, zu einem Schlüsselerlebnis für sie wurde.

Tags:
Referent/in: Prof. Dr. Johanna Pink

Mehr Medien in "Geschichte"